The Red Pill

"Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann, denn sie übersteigt alles Vermögen der menschlichen Vernunft." (KdrV, A VII)

"Könnte man in einziges Mal sagen: <Das ist klar>, dann wäre alles gerettet." (MdS, 40)

Mir wurde am Montag von meinem Professor eine Krise attestiert. Mit der Philosophie. Der Grund ist meine alte Hassliebe: Erkenntnistheorie. Es plagt mich. Ich plag mich. Nach dem Grundriß der pyrrhonischen Skepsis, Traktatus, Über Gewissheit, der Kritik der reinen Vernunft, Wider dem Methodenzwang und einem Teil der Phänemonenologie des Geistes bin ich natürlich wieder beim Sisyphos gelandet. "Das Gefühl der Absurdität kann an jeder beliebigen Stelle jeden beliebigen Menschen anspringen." (MdS, 20) In der Tat. Aber ich werd' das Gefühl nicht los, dass die Wahrscheinlichkeit mit der Anwesenheit in Kursen des besagten Professors signifikant steigt. Angesprungen hat es mich in der Tat schon wieder, das Gefühl der Absurdität. "Doch sobald das Denken über sich selbst reflektiert, stößt es auf einen Widerspruch." (MdS, 27) Genau! "Welche Wortspiele und Verrenkungen die Logik auch anstellen mag - verstehen heiß vor allem verneinen." (MdS, 28) Und jetzt? Das Einfachste wäre ja man würde sich damit abfinden. Es gibt vielleicht nix zu erkennen? Na und? Wenn es so einfach wäre. Kant hat schon ganz recht. Belästigen tun sie einen, diese Fragen. Lästig sind sie, aber abweisen kann man sie nicht. Camus schreibt dazu, ein wenig poetischer als Kant: "das Bedürfnis nach Vertrautheit, das Verlangen nach Klarheit. [...] Diese Sehnsucht nach Einheit, dieses Verlangen nach Absolutem enthüllt die wesentliche Triebkraft des menschlichen Dramas." (ibd.) Und eine Seite weiter: "Solange der Geist in der reglosen Welt seiner Hoffnungen schweigt, spiegelt und ordnet sich alles in jener Einheit seiner Sehnsucht. Bei seiner ersten Regung aber wird diese brüchig, sie stürzt ein: Eine Unzahl schillernder Bruchstücke bietet sich der Erkenntnis dar. [...] Nach jahrhundertelangem Forschen, nach der Abdankung so vieler Denker wissen wir genau, daß das auf unser gesamtes Wissen zutrifft. [...] Wollte man die einzig bedeutsame Geschichte de menschlichen Denkens schreiben, so müßte man die Geschichte seiner fortgesetzten Korrekturen und seiner Ohnmachten verfassen." (MdS, 29, 30) Ohnmachten. Und noch ein bisschen mehr: "was ist das für eine Situation, in der ich nur Frieden finden kann durch die Ablehnung des Wissens und des Lebens, in der die Eroberungslust an Mauern stößt, die ihren Angriffen trotzen?" (MdS, 32) Ja GENAU. Deswegen werde ich in diesem Wissenschaftstheorie Seminar auch immer so emotional. Aber was folgt daraus jetzt? Den Kampf aufgeben? Weiter viel lesen und auf Erkenntnis hoffen? Camus verneint beides vehement. "Und wenn ich diese absurde Logik zu Ende denke, dann muß ich erkennen, daß dieser Kampf die Abwesenheit jeder Hoffnung voraussetzt (was nichts mit Verzweiflung zu tun hat) sowie fortgesetzte Ablehnung (die nicht mit Entsagung zu verwechseln ist) und bewußtes Unbefriedigtsein (das man nicht mit jugendlicher Unrast gleichsetzen sollte). Alles, was diese Forderungen zerstört, verschwinden läßt oder entlastet (vor allem Zustimmung, die die Entzweiung beseitigt), vernichtet das Absurde und entwertet die Haltung, die eben vorzuschlagen wäre. Das Absurde hat nur insofern einen Sinn, als man sich nicht mit ihm abfindet." (MdS, 46) In der Tat, wahrlich absurd. "Die hier definierte Method bekennt sich zu dem Gefühl, daß jede wirkliche Erkenntnis unmöglich ist." Sich dagegen auflehnen? Ist das nicht zu viel verlangt? Kann man sich wirklich in der Absurdität halten? Andererseits hat er schon ganz Recht, der Mensch scheint die Blue Pill nicht zu wollen. Besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr sagt Mill und hat damit vielleicht Recht. Jedenfalls trifft es auf mich zu. Vielleicht ist das nur der Abbau von kognitiven Dissonantzen, aber diese Feststellung nimmt dem Gefühl nichts. Ich bin besagtem Professor jedenfalls für die Rote Pille immer noch dankbar, auch wenn ich die Wahl nicht so wirklich hatte, und die Krise, das Absurde, ist nun einmal die bittere Konsequenz. Außerdem: "Für einen Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schöneres Beispiel als die Intelligenz im Widerstreit mit einer ihn überschreitenden Wirklichkeit." (Seneca, De Providentia II, 7 nach Camus, Mds, 74). Für Seneca ist es, NB, Gott, der such an diesem Schauspiel erfreut. "An dieser Verbiegung vermag ich nicht zu begreifen, daß eine skeptische Metaphysik sich mit einer Moral des Verzichts verbünden kann. Bewußtsein und Auflehnung - diese Verweigerungen sind das Gegenteil von Verzicht." (MdS, 74) Also das Gegenteil von Aufgeben. Vielleicht also ist das Absurde auch gar nicht so bitter. "Die Klarsichtigkeit, die Ursache seiner Qual sein sollte, vollendet zugleich seinen Sieg. Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann. [...] Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf." (MdS, 158, 159)
Ich persönlich lese Camus ja schon immer sehr positiv.

Also dann: Ja! Windmühlen und Steine, nur her damit!

So und so sein

Die Kontingenz der Welt ist einer der grossen Skandale. Alles wie es ist könnte auch anders sein. Der eigene Körper, die eigenen Talente, Freundschaften, Beziehungen - überhaupt kann man für so wenig etwas.

Watch the weather change ...

Manchmal mag ich sie sogar sehr gerne diese Tage, wie heute, an denen es draußen so grässlich nass-kalt ist. Es nimmt mir irgendwie das Gefühl etwas zu verpassen. Einfach nur drinnen sitzen und lesen ist ja fast schon nichts machen. Drinnen vor allem! Das ist es; ja ich glaube genau das scheint mir des öfteren die Ursache des Gefühls zu sein, dass ich nichts getan hätte. Nichts Wirkliches jdenfalls. Nicht, dass es drinnen nicht genügend zu tun gäbe - oh ganz im Gegenteil - gerade wenn ich daran denke wie oft ich auch bei strahlendem Sonnenschein vor dem Rechner sitze um zu arbeiten. Nur arbeiten ist auch auf eine gwisse Art und Weise nichts tun. Aber darum geht es mir gerade nicht. Zu wissen, dass der Rest auch nicht raus und deswegen auch nichts erleben kann, das beruhigt mich irgendwie ungemein. Nun ist das natürlich, rational betrachtet, alles Unsinn, denn man kann ja auch drinen etwas erleben, und zwar beide Parteien - sowohl ich an schönen Tagen, wie auch die Anderen an eben solch regnerischen. Und trotzdem; ein Gefühl eben! Natürlich mischt sich dazu auch noch diese spezielle Art von Geborgenheit, die einem das sprichwörtliche Dach über dem Kopf bietet wenn man dieses eben sehr gut braucht. Wie etwa bei Regen.

Coffee and TV

[So give me coffee and tv ...]

Ab in die Relativität ...! Was mir für Situationen, Ereignisse, Augenblicke und noch einen ganzen Haufen anderer Sachen als selbstverständlich, ja sogar notwendig erscheint wird wenn es um Menschen geht zu einem kleinen Skandal. Man ändert sich nun einmal mit der Zeit; wobei ich hier besser schreiben sollte: die eigene Sicht auf die Dinge und vor allem Situationen ändert sich und man bewertet oft ex post um. Das geht soweit, dass man sich selbst umdeutet - oft auf der Suche nach einer Erklärung für das "warum?". Ich wehre mich, nebenbei bemerkt, diesen Prozess Fortschritt zu nennen, das ist zu teleologisch. Wahrscheinlich biegt man es sich auch oft einfach nur zurecht. Man will es einfach so haben und basta! Tja und das soll nun auch für Menschen und Freundschaften gelten; eine triviale Erkenntnis und erinnert mich an Brecht. Manchmal schmeckt sie dann doch bitter und fade, diese Relativität.

[... so we can start all over again]